Am 22.07.2017 feierte das Urban Game „ConnAct Hochfeld“ Premiere in Duisburg-Hochfeld. Über 30 Menschen zogen für eineinhalb Stunden durch das Viertel und versuchten, möglichst viele Punkte zu sammeln, indem sie bestimmte Objekte im öffentlichen Raum mit Menschenketten einkreisten oder verbanden. Je größer das Objekt, desto mehr Punkte gab es – und desto mehr Helfer*innen waren notwendig. Danach wurden im Rheinpark die Pokale verteilt und bis in die Nacht gefeiert. Lea Sleiman führte ein Interview mit dem Urban Game Designer Daniel Parlow aus Duisburg, welches zuerst in gekürzter Version in der „akduell – Studentische Zeitung für Duisburg, Essen und das Ruhrgebiet“ erschien. Den Artikel gibt es hier online.

Frage: Wer bist Du und was machst Du?

Antwort: Mein Name ist Daniel Parlow. Ich bin selbstständiger Urban Game Designer, ich entwickel Spiele im öffentlichen Raum und biete außerdem Workshops und Vorträge an.

F: Worum geht es bei dem Spiel?

A: Bei diesem Spiel geht es vor allem darum, wie der Name ConnAct ja schon sagt, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen und gemeinsam zu agieren. Die ganze Spielmechanik ist so ausgelegt, dass die Spielenden mit Passant*innen, Anwohnenden und auch den anderen Teams kommunizieren und zusammenarbeiten müssen. Gleichzeitig wird der Blick bewusst auf eher unauffällige Objekte im Stadtteil gelenkt, etwa irgendwelche Stromkästen, Verkehrsinseln, Laternenmasten oder ähnliches. Die müssen zum Teil erstmal gefunden werden, weil die wenigsten Menschen auf so etwas achten. Es geht also darum, bestimmte Orte zu entdecken, Menschen anzusprechen und die Orte gemeinsam zu bespielen.

F: Wie war es, das Urban Game zu organisieren?

A: Es hat viel Spaß gemacht! Die Be Neighbours, eine Stadtteilinitiative aus Duisburg, sind auf mich zugekommen, nachdem ich mal bei der Kritischen Einführungswoche an der Uni spontan ein kleines Urban Game angeboten habe und sie davon recht begeistert waren. Wir haben dann gemeinsam das Spiel entwickelt, also Inhalte gesucht, Aufgaben überlegt, das Spiel getestet etc. Die Grundidee stammt von einem Spiel, das 2015 von Kommiliton*innen für das Playin´ Siegen Festival in Siegen entwickelt wurde und worauf wir aufgebaut haben. Robin Eckert hat übrigens das tolle Design geliefert, danke dafür!

F: Was ändert sich ortsabhängig? Macht es einen Unterschied ob das Spiel in Hochfeld oder z.B. in Sydney stattfindet?

A: Das Konzept lässt sich natürlich super auf andere Orte übertragen, allerdings – und das ist bei Urban Games grundsätzlich der Fall – müssen dabei immer die Gegebenheiten vor Ort miteinbezogen werden. Also etwa die Frage, wie frequentiert ein Ort ist, was die vorhandenen Objekte im öffentlichen Raum sind etc. Das Besondere an Urban Games ist eben, dass sie anders als z.B. Basketball, wo egal ist, ob das Spielfeld in Sydney oder in Hochfeld ist, die Stadt selbst als Spielfeld brauchen. Ein und das selbe Spiel wird deshalb immer anders sein wenn es woanders stattfindet. Aber auch am gleichen Ort ist der Ablauf, zB durch den Kontakt mit Nichtspielenden, nie 100%ig vorhersehbar.

F: Was ist dir dabei besonders wichtig?

A: Mir ist dabei in erster Linie wichtig, dass die Menschen eine schöne Zeit haben, dass sie die Stadt erkunden und ausgetretene Wege verlassen. Was neues machen. Also ein bisschen aus ihrer Komfortzone kommen, dabei aber Spaß haben. Ich finde es toll, wenn eigentlich gewohnte und scheinbar alltägliche Orte und Situationen in Frage gestellt werden und aus einem neuen Blickwinkel betrachtet werden.

F: Was erhofft ihr euch darüber hinaus davon, so ein Spiel zu organisieren?

A: Da kann ich jetzt nur für mich sprechen, vermute aber, dass auch bei den anderen ähnliche Hoffnungen dabei waren. Also auf jeden Fall erhofffe ich mir, dass die Spielenden den Stadtteil (besser) kennenlernen und mit den Menschen hier in Hochfeld ins Gespräch kommen. Im absoluten Idealfall werden so Vorurteile (den Menschen und dem Viertel gegenüber) abgebaut, die Kreativität und Improvisationsbereitschaft der Spielenden angeregt und eine bewusste und aktive Außeinandersetzung mit dem Lebenraum Stadt und dem öffentlichen Raum angeregt.

F: Welche Arten von Spiel gibt es noch im urbanen Raum?

A: Viele! Natürlich klassische Spiele und Sportarten wie etwa Schach oder Basketball, die einfach in der Stadt auf ihrem abgegrenzten Spielfeld stattfinden. Das sind für mich aber keine Urban Games. Dann haben urbane Praktiken wie Skateboarden, Parkour und Freerunning, Urban Exploring, Street Art und Graffiti etc. viele spielerische Elemente, auf jeden Fall spielen sie auch mit der Stadt selbst herum! Ähnliches gilt auch für Geocaching. Flashmobs, Pop-Up-Theater, Performances, das sind in meinen Augen alles spielerische Handlungen. Nicht vergessen darf man natürlich die Hybrid Reality Games wie Pokémon GO oder Ingress, die ja auch recht bekannt sind. Wenn jetzt allerdings jemand Bubble Shooter auf der Parkbank spielt ist das ja eher ein Rückzug aus dem öffentlichen Raum in die private Spielwelt, trotzdem wird im urbanen Raum gespielt. Die Faszination von Urban Games liegt aber eben nicht ausschließlich in der Spielwelt selbst, sondern auch in der Tatsache, dass diese Spielwelt gleichzeitig die ‚ernsthaften‘ Welt ist und die Spiele mit den alltäglichen Situationen verschmelzen.

F: Gibt es politische Forderungen hinter solch einer Veranstaltung?

A: Ja die gibt es. Allerdings werden diese nicht zwangsläufig an irgendjemanden gestellt, sondern liegen in der Handlung des Spielens selbst, sind also performativ. Eine solche Forderung ist zum Beispiel die nach dem Recht, den öffentlichen Raum nutzen zu können, unabhängig von Besitzverhältnissen oder Konsumverhalten. Gerade in Duisburg, einer Stadt die Suchtkranke kriminalisiert und mittels Alkoholverboten daran hindern möchte, den öffentlichen Raum zu nutzen, keine abstrakte Forderung!

Nehmt euch die Stadt und nutzt sie, lasst euch nicht verdrängen, schafft Freiraum, hinterfragt die Besitzverhältnisse, die Zugangsbeschränkungen und die Nutzungsrechte und -formen, das könnten weitere Forderungen sein. Diese können im konkreten Spiel selbst natürlich noch betont werden. Ich habe zum Beispiel beim Street Art Bingo, einem Urban Game das ich zusammen mit den Urbanisten e.V. in Dortmund entwickelt habe, den Fokus auf legale aber auch illegale Straßenkunst gelegt, da stellen sich diese Fragen noch etwas expliziter.

F: Willst du selbst noch was sagen?

A: Ja, ich bin sehr froh, dass die Be Neighbours auf mich zukamen, es war toll und hat viel Spaß gemacht mit ihnen zu arbeiten. Ich freu mich, jetzt auch ein Urban Game in meinem eigenen Viertel zu haben. Wer mehr wissen will, oder das Spiel auch einmal spielen möchte, muss entweder auf meine Website warten, die bald fertig sein wird, oder kann mir gerne unter daniel@parlow.eu schreiben oder mir bei Twitter unter @Steinpflaster folgen. Und danke für das Interesse und die Fragen!